Die Reckumer Steine

In der näheren Umgebung von Wildeshausen befinden sich mehrere Großsteinanlagen (Megalithanlagen).

Allein im Landkreis Oldenburg gibt es 30 solcher Großsteingräber, die nur einen Bruchteil des ursprünglichen Bestandes darstellen. Viele dieser Gräber wurden in der Vergangenheit gesprengt und zu Baumaterial verarbeitet.

Im Grunde genommen bestehen die Reckumer Steine aus zwei nah beieinander liegenden Großsteingräbern (Grab 1 und Grab 2). Die jungsteinzeitlichen Kolosse sollen den Sagen nach so entstanden sein:

Die Zerstrittenen Schäfer:

Der erste Sage nach entstanden die Reckumer Steine wegen eines heftigen Streites zweier Schäfer: Jeder der beiden nahm für sich in Anspruch, einen  herannahenden Bienenschwarm zuerst gesichtet zu haben. 

„Ik woll, dat du es en griesen Stehen dar sitten bleevst.“ (Ich will, dass du als ein großer Stein sitzen bleibst) schrie der eine aufgebracht. „Un ick woll, dat du mi ewig Sellskoop doon mößt“ (Und ich will, dass du mir ewig Gesellschaft dabei leistet) entgegnete der andere wütend. 

Sprachs, und schon erstarrten beide Schäfer samt ihren Schafen zu Stein. Angeblich wird der Zauber alle hundert Jahre zur Heideblüte bei Vollmond für eine Nacht unwirksam. Dann zögen der Sage nach die Schafe bei Mondlicht über die Heide, die Schäfer aber führten ihren alten Streit fort bis sie im Morgengrauen erneut ihre Stimme erheben: „Joe Tied is vörbi!“ (Die Zeit ist vorbei) und schon würden alle wieder zu Stein. 

Fragt sich, wann die nächsten hundert Jahre rum sind. 

Befreundete Riesen: 

Gänzlich anderen Ursprungs sind die „Reckumer Steine“ einer zweiten Sage nach entstanden: Zwei eng befreundete Riesen, der eine ansässig im heutigen Kleinenkneten, der andere am rechten Hunteufer nahe der Dehmse, teilten sich eine Axt. Oft brauchten sie sie, um Holz für ihre riesigen Backöfen zu schlagen. Damit beide – trotz der Entfernung – stets ungehinderten Zugriff auf die Axt hatten, deponierten sie sie auf der Mitte des Weges nahe der Hunte. Eines Tages hatte der Fluss Hochwasser und so stapfte einer der Riesen durch das Überschwemmungsgebiet. Als sich seine Stiefel randvoll mit Wasser gefüllt hatten, leerte er sie mit einem heftigen Schwung. 

Mit dem Wasser katapultierte er unzählige große Steine auf die nahegelegene Heide. Kurz darauf folgte ein wunderschöner Sommertag und beide Riesen sonnten sich an der Hunte. Bald langweilten sie sich, doch einer der Riesen hatte eine zündende Idee: Sie trugen die größten der neulich aus den Stiefeln geschütteten Findlinge  zusammen und errichteten zwei mächtige Kammern – die Kammern der „Reckumer Steine“. 

Wissenschaftlich bewiesen ist jedoch, dass es ursprünglich mehrere Großsteingräber waren, die am östlichen Hunteufer lagen, davon vier in der Reckumer Gegend. Die anderen beiden sind leider zerstört worden, weil das Steinmaterial um 1760 für Bauzwecke genutzt wurde, angeblich teilweise zum Bau der Harpstedter Kirchhofsmauern. Heute sind nur noch die beiden Reckumer Großsteingräber erhalten, weil sie im Jahre 1873 für 220 Taler durch das Provinzial-Museum Hannover von den damaligen Besitzern Runge und Bahrs (Hof Rüdebusch) käuflich erworben wurde; ein drittes Grab soll 1882 noch ca. 1 km nordwestlich vorhanden gewesen sein. 

Die Menschen der „Trichterbecherkultur“, eine vollbäuerliche Kultur – so benannt nach einer charakteristischen Gefäßform – konstruierten aus den Megalithen die Grabmäler. Die Toten wurden demnach zwischen die großen Megalithen (unbehauene Steinkolosse) gelegt und die Zwischenräume mit kleineren Steinen ausgefüllt. Zum Schluss wurde alles mit Erde überdeckt. Hierzu benötigte man keine Riesen und auch nicht mehrere Jahre, sondern in erstaunlich kurzer Zeit und mit überraschend einfachen Mitteln wurden Großsteingräber konstruiert: 

Die Megalithen hatten eiszeitliche Gletscher lange zuvor in die Geest befördert. Man transportierte sie mit Hilfe von Ochsengespannen über rollende Baumstämme zu der Stelle, wo das Grab vorgesehen war. Man ließ die als Trägersteine vorgesehenen Megalithen aufrecht in den zuvor ausgehobenen Boden ein und hievte die tonnenschweren Decksteine über Rampen auf das Grab. Damit der Boden nicht nachgab, wartete man, bis er gefroren war.  

Gang und gebe war es, den Toten auf ihrer letzten Reise Gefäße mit Speise und Trank mitzugeben. Doch nicht nur Keramik, die in vielfältigen Formen um mit reichen Mustern verziert waren, gehörten zur Ausstattung der Verstorbenen, sondern auch Steingeräte wie Klingen, Pfeilspitzen und Beile sowie Schmuck in Form von Bernsteinperlen oder durchlochten Tierzähnen. Erstmals tauchten bei Ausgrabungen auch die ersten Metallgegenstände aus Kupfer auf. 

Die Reckumer Steine sollen angeblich noch nie archäologisch untersucht worden sein. Mit Ausnahme einer einzelnen Scherbe aus Grab 1 sind keine Funde bekannt. An den berühmten „Heideopfertisch“ bei Engelmannbäke erinnernd, trägt Grab 1 im Volksmund auch den Namen „Opferaltar“. Bei dieser Begrifflichkeit dürfte es sich um eine irreführende Namensgebung handeln, die von Deutungsversuchen von Großsteingräbern während der letzten Jahrhunderte herrühren. Die durch die Trag- und Decksteine gebildete tischähnliche Form des Grabes verleitete zu dem Trugschluss, hier hätten die von vermeintlich rohen Sitten heimgesuchten, heidnischen Vorfahren ihren Göttern mit Tier- und Menschenopfern gehuldigt.